Er wollte die Geschichte der elektronischen Musik aus seiner Sicht erzählen gibt Jean-Michel Jarre zu Protokoll. Und genau dies tat er hier indem er mit 15 Künstlern ins Studio ging um gemeinsam neue Tracks zu produzieren. Das Ergebnis wird den hohen Erwartungen gerecht. Teil 2 ist für Frühjahr 2016 angekündigt. Jarre der 1976 Frankreich mit dem Album "Oxygène" auf dem Weltatlas der elektronischen Musik verankerte zollt auf "Electronica" den Größen des Genres von den Siebzigern bis in die Gegenwart Tribut. Und er demonstriert mit der Auswahl seiner Kollaborateure dass die elektronische Musik im Lauf der Jahrzehnte keinen Staub angesetzt hat und noch immer unter Hochspannung steht. So sorgen Vertreter der jungen Generation wie Anthony Gonzalez alias M83 der in Berlin lebende Alexander Ridha alias Boys Noize der Franzose Mike Lévy alias Gesaffelstein oder der Holländer Armin van Buuren für frischen Wind und peppen in den gemeinsam geschriebenen Stücken Jarres Formenrepertoire auf das freilich nie um massenwirksame Turbosounds verlegen war. Besonders schön kommt der Track "If..!" mit dem Gesang der englischen Electropopkünstlerin Victoria Hesketh alias Little Boots rüber. Aber auch Veteranen des Genres ließen bei diesem Projekt nichts anbrennen. So beschwört Vince Clarke (Depeche Mode Yazoo Erasure) in den Tracks "Automatic (Part 1)" und "Automatic (Part 2)" die Atmosphäre von Jarres erfolgreichen Frühwerken wie "Equinox" oder "Magnetic Fields/Champs Electronique" während Robert del Naja alias 3D (Massive Attack) Garant dafür ist dass "Watching You" klingt wie Massive Attack meets Jarre ist ja auch schon was. Einen willkommenen romantischen melodiösen Spannungsbogen nach viel Geblubber und Getucker und damit ein Highlight des Programms baut Edgar Froese (Tangerine Dream) auf der kurz nach der Aufnahme von "Zero Gravity" verstarb weshalb Jarre ihm dieses Album widmete. "Rely On Me" ist ein weiterer Höhepunkt auch wenn es stellenweise wie ein Remake von "O Superman" klingt: Hier bezirzt Laurie Anderson als Smartphone-Siri den Hörer mit sonorer Stimme. Ob Jean-Michel Jarre auch bei Kraftwerk angefragt hat? Falls er es tat hat er sich vermutlich eine Absage eingehandelt. Macht aber nichts: Denn "Close Your Eyes" mit dem französischen Duo Air ist eine unverhohlene - und gelungene - Hommage an die deutschen Elektronikpioniere. Wo viel Licht da gibt es aber auch Schatten: In dieser Hinsicht enttäuscht vor allem der Track "Travelator (Part 2)" mit Pete Townshend (The Who) der zwar schon auf dem Album "Who's Next" von 1971 mit flirrenden Synthiemustern arbeitete ("Baba O'Riley") der hier aber aber einfach grässlich fehlplatziert wirkt. Auch "The Train & The River" mit dem Pianisten Lang Lang hinterlässt eher Stirnrunzeln. Manfred Gillig-Degrave
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